70 Gäste füllten das Café Mistlbacher am 16. Jänner 2025 bis auf den letzten Platz. Das Publikum wurde eindrücklich ins bosnische Dorf „Ahmići“ der Apriltagen 1993 versetzt. An dem KIM-Abend „Mal Reinhören“ unter dem Titel „Wir sehen alle denselben Himmel“ präsentierten drei Kunstschaffende ihre auf den ersten Blick unterschiedlichen Werke, die sie zu einem gemeinsamen Erlebnisteppich verwoben haben.
„Eine von vielen Geschichten“ – Thomas Obruča
Ausgangspunkt des Abends war das Buch „Ahmići“ von Thomas Obruča. „Im Zuge eines Krieges gibt es tausende dramatische Geschichten. Das war eine von diesen“, so Thomas Obruča über sein Buch, das die wahren Erlebnisse des damals 13-jährigen Adnans widergeben, acht Tage, die sein Leben prägten und sinnbildlich für die Gräuel des Krieges stehen.
Im Dorf Ahmići wurden während des Bosnienkrieges bei einem Massaker am 16. April 1993 rund 120 bosnisch-muslimische ZivilistInnen getötet, darunter auch zahlreiche Frauen und Kinder. In der späteren juristischen Aufarbeitung des Massakers sprach der Internationale Strafgerichtshofs in Den Haag mehrere Urteile gegen damalige Politiker und Militärs aus.
„Adnan, der junge Protagonist der Erzählung, war später einer der jüngsten Kronzeugen im Zuge des nachfolgenden Kriegsverbrecher-Tribunals in Den Haag“, führte Obruča aus.
Der in St. Pölten gebürtige und in Hürm lebende Thomas Obruča blickt auf eine jahrzehntelange Karriere als Beamter im B.M.I. zurück. Seine Tätigkeit führte ihn unter anderen auch acht Jahre lang nach Bosnien und Herzegowina, wo er im Rahmen zweier UN-Auslandseinsätze des Ministeriums und als Sonderermittler des Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien tätig war und den zum Zeitpunkt der Erzählungen 13-jährigen Adnan auch persönlich kennen lernte. Das mit Adnan gemeinsam erarbeitete Buch ist auf Deutsch, Englisch und Bosnisch erschienen und stellt ein wichtiges zeithistorisches Zeugnis dar.
POESIE als Stimmungsbild – Maria G. Schweiger
Maria Schweiger und Thomas Obruča sind seit der gemeinsamen Schulzeit im Stiftsgymnasium Melk befreundet und im künstlerischen Austausch:
„Viele Passagen aus Thomas Buch passen gut zu meinen Haikus“, erklärt Maria Schweiger, die aus ihrer Buch „Die Augenblickswolke“ vorlas. Es waren passende Haikus, die die Stimmungen, Erzählungen und Gefühle des jungen Adnan aus Thomas Obručas Buch untermalten, einrahmten und verstärkten. Es sind zutiefst menschliche Erlebnisse. „Thomas beschreibt Bilder und Situationen und ich habe meine Haikus wie Fäden dazu gewoben, die Schwere der Kriegserfahrungen durch die Poesie ergänzt und versucht, sie ein Stück weit aufzubrechen“.
MUSIK als Sprachbild – Sophie Rothner
Die junge Violinistin Sophie Rothner ergänzte durch ihre Musik die sprachlichen Texturen des Abends. Durch ihre Improvisationen und Kompositionen hat sie die literarischen Stimmungen mit musikalischen Mitteln eindringlich verstärkt und unterstrichen.
Das so entstandene Gesamtbild von Rothner, Schweiger und Obruča war gelungen. Bis zum tosenden Schlussapplaus war die aufmerksame Spannung im Publikum deutlich spürbar. Die Kulturinitiative Melk (KIM) bedankt sich bei den Gästen für das zahlreiche Erscheinen und bei den drei Kunstschaffenden für das Teilen ihrer Werke und den gemeinsamen Kulturgenuss, der dadurch möglich wurde.
Weiterführende Infos:
Thomas Obruča auf der Seite des Verlags Bibliothek der Provinz
Maria G. Schweigers persönlicher Webauftritt